Eine Neuerscheinung von Sangharakshita: Herz und Geist verstehen

Neu erschienen im Do-Verlag, 2012

Wie der Titel sagt, lernen wir durch dieses Buch unseren Herz-Geist und seine Aktivitäten besser kennen. Das bietet uns eine bessere Grundlage für die meditative Erforschung des Herz-Geistes und die Übung von Ethik. Ein wahrer Schatz für intensiver Übende!

Sangharakshita kommentiert hier einen grundlegenden Abhidharma-Text des indisch-tibetischen Buddhismus (Mind in Buddhist Psychology von Yeshe Gyaltsen, eingeleitet und übersetzt von Herbert Günther), in dem 51 Funktionsweisen des Geistes erläutert werden. Diese Aufteilung des Geistes und die Beschreibung dieser Faktoren verfolgt einen rein praktischen Zweck: den Übenden in ihrer Praxis zu helfen, mit ihrem Herz-Geist geschickt umzugehen, sprich auf möglichst heilsame, förderliche Weise. Durch diesen förderlichen Umgang ist es möglich, immer tiefere Einsichten in die Wirklichkeit, die Natur des Herz-Geistes zu erlangen und dadurch immer mehr Fesseln zu lockern oder gar zu lösen.

Die 51 Geistesereignisse oder -aktivitäten stehen zwar im Mittelpunkt, doch enthält das Buch auch Ausführungen zu Karma und den Skandhas, einen Abriss über die Abhidharma-Entwicklung, stellt einen fünf-gliedrigen Dharma-Weg vor und ein Kapitel über die Natur des Geistes, das beschreibt worin die Dualität besteht, die wir zu überwinden trachten.

Es ist kein Buch, das man auf einmal durchliest, sondern eins, das einen lange begleiten wird.

Nächstes Jahr wird es ein Retreat zur praktischen Arbeit mit den Inhalten geben [link] und auch einzelne Tage im Buddhistischen Zentrum Essen.

Nun etwas detaillierter zu den einzelnen Punkten (wer nur einen groben Überblick möchte, findet auf der Web-Seite von do evolution [link] Leseproben und das Inhaltsverzeichnis).

Die 51 Geistesereignisse oder -aktivitäten setzen sich wie folgt zusammen:

Fünf sind immer da; sie gehören schlicht zum Erleben und Wahrnehmen. Das erklärt, warum es viele, teilweise recht komplexe Dinge gibt, die wir ausführen können, ohne darüber nachzu­denken, wie z.B. Autofahren, sich durch Menschenmengen bewegen, ohne jemand anzu­rempeln. Fünf weitere sind dafür verantwortlich, sich mit einem konkreten Gegenstand zu beschäftigen, d.h. sie sind besonders auch für unsere Meditationsübung interessant, aber auch für das Durchführen anderer „Projekte“.

Eine weitere Reihe von Geistesfunktionen sind heilsam, andere unheilsam. Sie alle werden konkret benannt und beschrieben, was Wege aufzeigt, wie man die einen pflegen und von den anderen ablassen kann. (Auch sehr hilfreich für die Eingeständnis-Praxis.)

Und schließlich gibt es noch vier Geistesaktivitäten, die sowohl als auch sein können.

Doch welchen Nutzen hat es, die einzelnen Aspekte unseres Herz-Geistes zu kennen? Dadurch können wir leichter unterscheiden, wodurch wir uns weiter in Samsara, im Bedingten verstricken und wodurch wir uns befreien können. Ebenso hilft es uns zu erkennen, wo unsere Sicht auf die Welt falsch ist und worin die richtige besteht. Normalerweise denken und glauben wir, es gäbe ein Subjekt oder Ich, das etwas, sprich ein Objekt, wahrnimmt. Dieses Denken ist Ausdruck unseres dualistischen Agierens und insofern unserer Verblendung, unserer „falschen“ Sicht auf die Welt. Sangharakshita bzw. der Übersetzer des kommentierten Textes bietet eine andere Sicht an, die der Wirklichkeit mehr entspricht: Es gibt nur eine Wahrnehmungssituation. Diese Wahrnehmungssituation hat einen subjektiven Pol und einen objektiven Pol, was nichts über die Existenz dieser wahrgenommenen Dinge aussagt. Diese Sichtweise rüttelt an der emotional sehr tief gehenden falschen Ansicht von einem festen Selbst und der damit einhergehenden dualistischen Weltsicht.

Im Dharma als Wahrheit und dem Versuch der praktischen Umsetzung in unserer Übung geht es darum, diesen Dualismus von Ich und anderem zu überwinden, einfach nur wahrzunehmen, ohne an eine feste Existenz der verschiedenen Dinge zu glauben. Es geht darum, alle festen Vorstellungen loszulassen, und die festeste davon ist eben der Glaube an ein absolutes Ich. Daraus resultiert viel Leid – für uns und andere. Wenn wir es schaffen unsere Sichtweise mehr der Realität anzunähern, verringern wir Leid. Und wenn wir immer feiner erkennen und unterscheiden lernen, was hilft und heilt, und was nicht, was zu Glück führt und was zu Leid, dann können wir mit der Zeit immer häufiger wählen, welchen Weg wir einschlagen und den Weg zu Nicht-Leid und Glück nehmen.

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